Megatrends der Digitalisierung

Christian Kirsch

Christian Kirsch

Projektleiter

Spannende Fehlprognosen aus der Vergangenheit, wie „Das Internet wird kein Massenmedium“ des Zukunftsforschers Matthias Horx aus 2001, oder: „Das Internet wird nicht mehr Einfluss auf die Wirschaft haben, als das Faxgerät.“ (Nobelpreisträger Paul Krugman) bringen uns heute immer wieder zum Schmunzeln. Manchmal interpretieren wir andererseits zu viel in neue Entwicklungen hinein. Es ist und bleibt der Blick in die Glaskugel – die Digitalisierung in ihrer gesamten Komplexität zu greifen, ist nicht immer leicht. Anhand von Nutzeranalysen, Hochrechnungen und IT-Ausgaben können wir Tendenzen ablesen und sehen, welche Felder der Digitalisierung zurzeit an Bedeutung gewinnen. Welche sind die größten Entwicklungen und Schlüsseltechnologien?


Der Megatrend der Vernetzung

Einer der größten Trends unserer Zeit liegt in der Vernetzung. Auf diesen drei großen Ebenen schießen immer größere Datenmengen mit teils unvorstellbarem Ausmaß von A nach B:

  • Mensch zu Mensch
  • Mensch zu Maschine
  • Maschine zu Maschine

Zunehmende Mensch-zu-Mensch-Vernetzung: Im Business-Sektor schlägt die „Mensch-zu-Mensch-Vernetzung“ besonders im Bereich Zusammenarbeit große Wellen. Diverse Kollaborations-Tools vereinfachen uns den Arbeitsalltag. Wir können große Datenmengen mithilfe von Clouds austauschen oder in Echtzeit an den gleichen Dokumenten arbeiten. Besonders jetzt in Zeiten von Corona sind wir immer stärker darauf angewiesen, Remote zu arbeiten. Sei es ein Team in Spanien, der Freelancer im Café oder eine Mitarbeiterin im Home Office – ein Videocall reicht und schon lassen sich die aktuellsten Projektthemen klären – und das auch über Unternehmensgrenzen hinweg. Dank dieser „seamless communication and collaboration“ (= nahtlose Kommunikation und Zusammenarbeit) können Unternehmen auch ihre Kunden und Lieferanten immer besser in Wertschöpfungsketten integrieren, den Wissensaustausch fördern, organisatorische Hürden abbauen und Kosten reduzieren.

Zuwachs digitaler Schnittstellen – die Mensch-zu-Maschine-Interaktion: Ob wir gerade mit der Gestensteuerung am Smartphone ein Urlaubsfoto vergrößern oder Alexa bitten, das Licht anzuschalten – die Nutzung digitaler Schnittstellen nimmt immer stärker zu. Auch M-Commerce wächst und wächst. Öffnungszeiten werden zunehmend uninteressant, wenn wir mit unserem Smartphone eh von überall aus und zu jeder Zeit shoppen können. Während noch beispielsweise 2016 der Mobile-Commerce-Umsatz bei 52,4 % der weltweiten E-Commerce-Umsätze lag, sollen es dieses Jahr laut Statista bereits rund 67 % sein. Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang die Möglichkeit, immer mehr Daten sammeln zu können, die sich auch noch stetig selbst optimieren. Damit ist nicht unbedingt die Nutzung von heimlich gesammelten Daten für die nächste Marketing-Kampagne gemeint. Die zusätzlichen Funktionalitäten erlauben es zum Beispiel im Geschäftskontext, per Sprachassistent, mit einem ERP- oder CRM-System zu kommunizieren, Daten zu suchen, sich vorlesen zu lassen oder gar neue Datensätze zu erfassen.

Ein sehr typisches Beispiel für die Kommunikation zwischen Mensch und Maschine sind Chatbots. Sei es die nächste Reiseplanung oder eine Pizzalieferung – sie beantworten Fragen und setzen Bestellungen in Sekundenschnelle um. Per vordefinierten Entscheidungsbäumen und variablen Optionen führen die Gesprächsroboter Kunden durch ganz unterschiedliche Anfragen. Die textbasierten Dialogsysteme ermöglichen schnelle Reaktionen im Kundenservice und beschleunigen die Einsteuerung in die passende Fachabteilung. Durch die 24/7-Verfügbarkeit können Unternehmen so ihre Kundenbindung erhöhen und Umsätze deutlich steigern. Oder stellen Sie sich vor, Sie haben Ihren ersten Arbeitstag in einem großen Konzern. Sie haben tausend Fragen, aber wollen nicht sofort Ihre geschäftigen Kollegen überrumpeln. Wie wäre es mit einem Chatbot aus der Personalabteilung, der Ihnen wichtige Fragen beantwortet, wie beispielsweise: „Wo bekomme ich meine IT-Ausstattung her?“ oder „Wo finde ich die Kantine?“.

Der zweite kleine Helfer ist der Prozess-Bot. Im Rahmen der Robotic Process Automation (RPA) automatisiert er Prozesse und erhöht den Workflow. Immer dann, wenn wiederkehrende Arbeitsschritte und regelbasierte Entscheidungen stattfinden, können Software-Roboter einspringen. Sie ahmen das Verhalten von Menschen nach und übernehmen die Verarbeitung von Daten. Das kann zum Beispiel in der Buchhaltung oder operativen Beschaffung sehr sinnvoll sein, um Eingangsrechnungen zu prüfen oder Bestellungen anzulegen.

Wenn Maschinen mit Maschinen kommunizieren: Immer leistungsfähigere Prozessoren und intelligente Sensoren erlauben die Kommunikation zwischen Maschine und Maschine bzw. von Software zu Software. Moderne IT-Abteilungen nutzen schon heute Potenziale jedes sich bietenden Systems und verbinden diese zu einem leistungsfähigen Business Service. Der Mensch kommt hier idealerweise nur noch zum Zug, wenn es zu Abweichungen kommt. In der Industrie kann heute beispielsweise eine Produktionsmaschine per „predictive maintenance“ vorhersagen, dass das Zahnrad oben links in ca. 2,6 Wochen defekt sein wird. Die Maschine bestellt – dank hervorragender WLAN-Verbindung – direkt beim Hersteller ein Ersatzteil. Der Hersteller erhält in seinem ERP-System einen Produktionsauftrag und beginnt mit der Fertigung, eventuell sogar mithilfe eines 3D-Druckers. Per Push-Nachricht erhält der Servicetechniker eine automatische Nachricht auf dem Smartphone, dass er kommende Woche zum Austausch vorbeikommen soll. Parallel dazu kann der Maschinenhersteller laufend Daten über die Verwendung und Auslastung der Produktionsmaschine sammeln und so die Produktentwicklung optimieren. Diese enormen Möglichkeiten der Datensamm-lung bringen uns auch schon direkt zum nächsten Trend.

Big, bigger, biggest – wichtige Entscheidungen mit Big Data

Führen Sie sich einmal Folgendes vor Augen: Laut Statista (Prognose zum weltweit generierten Datenvolumen, 2020) wird sich das Datenaufkommen im Jahr 2025 auf 175 Zettabyte erweitern. Dies entspricht einer Milliarde Terabytes. Wenn Sie sich nur ein einziges Terabyte MP3-Songs anhören würden, müssten Sie sich allein schon zwei Jahre Zeit dafür nehmen. Nichts geht mehr ohne Daten. Inwiefern „Daten das Öl des 21. Jahrhunderts“ sind, beschreibt Malte Spitz sehr spannend in seinem gleichnamigen Buch. Wer also aktuell aus seinen Daten kein Gold macht, hat keine Chancen mehr am Markt – ist doch so, oder? Hier raten wir Ihnen besonnen vorzugehen! Hektisches Datensammeln und eventuell sogar gegen die DSGVO verstoßen, ist eher kontraproduktiv. Kennen Sie außerdem die 15-Cent-Regel, die besagt, dass ein Gigabyte an Daten nicht viel mehr wert ist als 15 Cent?

Daher unser Rat: Sammeln Sie nur Daten, die Sie wirklich benötigen und bringen Sie diese in Korrelation mit Ihren Entscheidungen. Als Beispiel: Eine Restaurantkette mit einem großen Außenbereich, die für den Herbst deren Personaleinsatz planen will, könnte die Tischreservierungen und Umsätze der letzten Jahre analysieren. Nun in Korrelation mit der kommenden Wetterprognose gesetzt, kann das Unternehmen besser einschätzen, wie viel Kellner es im Biergarten einsetzen sollte. Sicher finden Sie auch für Ihr Business die passenden Analyse-Szenarien!

Allerhöchste Zeit für Green IT

Wussten Sie, dass allein Google an einem Tag so viel Strom verbraucht wie ganz Bochum? Die Hälfte der Energie wird hier nur für das Datensammeln benötigt. Also treffen Sie Ihre Entscheidungen ressourcenschonend! Ob Datenreduzierung, umweltschonende Hardware, Reduktion des Energieverbrauchs, sachgerechte Hardware-Entsorgung oder der Einsatz von IT zur Emissionsreduzierung – Unternehmen haben hier sehr viele Hebel, etwas zur Nachhaltigkeit beizutragen.

Künstliche Intelligenz als Schlüsseltechnologie

Künstliche Intelligenz empfindet menschliche Entscheidungen mithilfe von Big Data nach. Die notwendige Technologie dafür bietet Machine Learning. Auf Basis riesiger Datenmengen und Algorithmen ist diese fähig, Muster zu identifizieren und eigenständig zu lernen. Die Produktempfehlungen bei Amazon oder Filmempfehlungen bei Netflix funktionieren beispielsweise nach diesem Prinzip. Es vergeht zudem kein Tag, an dem nicht irgendeine globale Company deren IT Services mit künstlicher Intelligenz anreichert. Seien es Vorhersagen zu Warenströmen oder Systemausfällen, die Erfassung von Stimmungsbildern in sozialen Medien oder die Erkennung von Cross- und Upselling-Potenzialen – KI ist eine entscheidende Schlüsseltechnologie, die aktuell den Weg für weitere, bahnbrechende Technologien bereitet.

Wie Mixed Reality die Industrie in andere Dimensionen befördert

Die Kombination aus einer künstlich erzeugten Realität mit der psychischen Wahrnehmung des Nutzers eröffnet enorme Möglichkeiten. Stellen Sie sich beispielsweise eine große Maschine im Industriebereich vor, die einen komplizierten Defekt hat. Musste früher noch ein spezieller Techniker anreisen, könnte dieser nun aus der Ferne den Kunden mit einer VR-Brille und Headset zur Reparatur anleiten. Der Techniker sieht dabei alles, was der Kunde vor Ort sieht und kann diesem gezielte Hinweise im Sichtfeld der VR-Brille einblenden. Die möglichen Szenarien sind längst keine Science Fiction mehr. Mixed Reality ist ein wichtiger Impulsgeber, der die Industrie weiterhin in neue Dimensionen befördern wird.

Unternehmerische Chancen in der Zukunft

Natürlich ist es kein Geheimnis, dass alle Zeichen auf einer enormen Ausweitung der Digitalisierung stehen. Nur welche Folgen ergeben sich daraus? Bereiche, die sich nicht digitalisieren lassen, werden vermutlich an Wert gewinnen. Denken Sie hier an die Interaktion zwischen Mensch und Maschine. Eine starke Benutzerfreundlichkeit und unvergleichliche Kundenerfahrungen (= „customer experience“) werden ein noch höheres Potenzial für Wettbewerbsvorteile bieten. Glückliche und zufriedene Kunden werden entscheidend sein, vor allem, wo sich negative Kritik heute noch rasanter per Social Media um den Erdball verteilt.

Hinsichtlich der technischen Möglichkeiten appellieren wir an Sie, mit der nötigen Fokussie-rung und Lockerheit heranzugehen! Verfallen Sie bitte nicht in blinden Aktionismus. Blicken Sie zuerst in Ihr Unternehmen und fragen Sie sich, ob Sie die richtigen Menschen an Bord haben, die das passende „digital mindset“ mitbringen oder entwickeln können. Wenn nicht, dann investieren Sie in Ihre Personalabteilung, etablieren sie smarte Recruiting Services und ins Talent Management. Stellen Sie sicher, dass Sie die richtigen Menschen finden, begeistern und langfristig binden!

Letztendlich haben wir die Zukunft selbst in der Hand: Wichtig ist, dass Firmen neue Trends konsequent im Blick behalten, Altlasten loswerden und sich zukunftsfähig ausrichten. Oder wie Albert Einstein zu sagen pflegte: „Mehr als die Vergangenheit interessiert mich die Zukunft, denn in ihr gedenke ich zu leben.“

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