Planen – Übergeben – Loslassen

Wie man den Nachfolgeprozess in familiengeführten Brauereien richtig steuert

Moritz Weissman

Moritz Weissman

Geschäftsführender Gesellschafter

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Wenn der ältesten Familienbrauerei der Welt die Übernahme durch die 21. Generation bevorsteht, will das im Vorfeld gut geplant sein. Bei der 1447 gegründeten Brauerei Zötler hat Braumeister Niklas von seinem Vater Herbert 2018 den Staffelstab übernommen. Dabei haben seine Eltern keinen Druck ausgeübt, die Nachfolge anzutreten. Erst während seines Studiums hat sich der junge Bräu für die Übernahme entschieden und nennt als Grund seinen Vater als Vorbild, weil er „mit Freude und Enthusiasmus Familienunternehmer“ sei. Die Weichen für den Nachfolgeprozess wurden bereits fünf Jahre zuvor mit seinem Eintritt in den Betrieb gestellt, die Strategie mit einem externen Berater geplant und in einem Kreis von 15 Mitarbeitern eine Vision erarbeitet, nach der die Marke Zötler für Biergenuss und Biererlebnis steht und wirkt.

Zum Unternehmer geboren?

Ob freiwillig oder aus der Erwartung der Eltern heraus: jeder (potentielle) Nachfolger in Familienunternehmen wird nach Arist von Schlippe mit Paradoxien der Unternehmensnachfolge in verschiedenen Stadien des Generationenübergangs konfrontiert. Die Nachfolger sollen ihren eigenen Lebensweg frei von Unternehmen finden – aber sich natürlich stark für das Unternehmen interessiert. Im Unternehmen angekommen sollen sie ihre eigenen Visionen und Ziele verfolgen – und dies selbstverständlich genau im Sinne der vorherigen Generation.

Viele Unternehmereltern neigen dazu, die Eignung ihrer Kinder als potentielle Nachfolger am klassischen Bildungszweig festzumachen. Unterschätzt werden dabei häufig die Vermittlung von Werten und die Bildung der Persönlichkeit beim Nachwuchs. Diese Aufgaben bringen die meiste Arbeit mit sich, betreffen die Unternehmerfamilie und das Familienunternehmen ganz konkret und können nicht wie die akademische Bildung extern abgebildet werden. Dabei liegen hier die größten Hebel. Viele „Senioren“ sind auch der festen Überzeugung, dass man zum Unternehmer geboren wird. Gleichzeitig sind sie der Meinung, dass sie für den Unternehmenserfolg unerlässlich sind und denken daher erst an die Übergabe an die nächste Generation, wenn sie selbst soweit sind. Bis dahin überlassen sie den Weg des Nachwuchses dem Zufall oder predigen, die Kinder sollten sich zunächst frei entwickeln und dann vielleicht irgendwann einmal Interesse für das eigene Unternehmen verspüren.

Prinzipiell steht jedem die Tür offen, Unternehmer und Nachfolger zu werden. Ein Patentrezept dafür gibt es nicht, denn jede Persönlichkeit, jede Unternehmerfamilie, jedes Unternehmen ist anders. Den größten Einfluss haben vor Umfeld und Unternehmen mit Sicherheit die Eltern, die ihre Kinder im besten Fall zu verantwortungsvollen Persönlichkeiten erziehen, ihnen die eigenen Werte, die sie auch im Unternehmen weiterhin verankert sehen wollen, nahe bringen und sie auf das Unternehmen neugierig machen.

Vorbereitung auf Rolle des Nachfolgers

Eine komplett freie Entwicklung zeigt dem Nachwuchs kein mögliches Ziel im Familienunternehmen auf. Wenn er oder sie dann einen anderen Fokus hat, sich andere Strukturen verfestigen wie z.B. eine eigene Unternehmensgründung, die mit dem Brauwesen rein gar nicht zu tun hat, lässt sich diese Entwicklung nicht über Nacht korrigieren und die Laufbahn als Nachfolger einschlagen. Das andere Extrem sind ganz starre Vorgaben, an die sich ein Unternehmernachfolger zu halten hat. Dabei hat der Senior ein ganz klares Bild von seinem Nachfolger, oder will auch einfach bestimmte Personen aus dem Familienkreis als Nachfolger ausschließen.

Beide Extrem-Positionen sind nicht zu empfehlen. Je komplexer das Unternehmen, dessen Führungsstrukturen und damit die familieninterne Nachfolge, desto mehr sollte man steuern. Gibt man dem Nachwuchs zur Orientierung aktiv Leitplanken in Form von den wichtigsten Anforderungen für die mögliche zukünftige Rolle im Unternehmen, so besteht die reelle Chance, dass er oder sie sich zu einem smarten Nachfolger entwickelt.

Plötzlich mitten in der Verantwortung?

Im Gegensatz zu früheren Generationen, in denen meist fest stand „Der Älteste macht’s“ und von Freiwilligkeit eher nicht die Rede war, gibt es heute eher keinen „Nachfolge-Automatismus“ mehr. Zum einen fragen sich die in Frage kommenden Kandidaten nach Ausbildung und Studium kritischer, ob sie die Nachfolge antreten wollen, wenn ihnen gleichzeitig andere interessante berufliche Optionen offen stehen. Zum anderen wägen auch die Familien kritischer ab, ob der familieninterne Nachfolger geeignet ist. Wenn die Herausforderung „Nachfolge“ dadurch also größer wird, sollten sich die Unternehmerfamilien also noch früher und intensiver mit dem Generationenübergang beschäftigen.

Letztlich dreht sich dabei alles um die beiden Kernfragen „Wieso will ich das Familien-Unternehmen als Unternehmer fortführen?“ und „Wieso wäre das für das Unternehmen sinnvoll?“ Die Kandidatin oder der Kandidat für die Nachfolge sollte sich fragen, warum er/sie Unternehmer werden möchte bzw. welche Rolle er/sie bereit ist einzunehmen? Fühlt sich der Nachfolger verpflichtet oder will er wirklich das Unternehmen fortführen? Nicht ungeprüft sollten andere Optionen bleiben, die sich für den beruflichen Weg ergeben. Diese müssen nicht zwingend mit dem Brauwesen oder der Getränkeindustrie zusammenhängen. Nicht zuletzt steht auch die Frage im Raum, ob das Leben der Eltern für den Nachfolger ein attraktives Vorbild ist. Wenn er die Brauerei und die ständige Beschäftigung mit dem Unternehmen in der Kindheit als nervig oder lästig empfand, wird er möglicherweise in anderen Professionen zufriedener sein.

Aus Sicht des Unternehmens bzw. der Unternehmerfamilie spielt die Frage nach den Anforderungen an die zukünftige Kompetenz in Abhängigkeit von Größe, Internationalität des Unternehmens und der Marktdynamik wohl die größte Rolle bei der Wahl des Nachfolgers. Des Weiteren fallen die Erfahrungen, die Nachfolger bereits mitbringen sowie das Engagement, das sie zeigen, ins Gewicht. Das Timing zwischen Eintritt des Juniors und Austritt des Seniors sollte ebenfalls passen, um die Verantwortung – idealerweise nach und nach – zu übergeben.

Strategie, Organisationsstruktur und Unternehmenskultur

Laut Herbert Zötler sei beim Generationenübergang wichtig, „ob jemand will, ob jemand kann (Ausbildung), und – das Wichtigste – ob jemand die soziale Kompetenz mitbringt und Menschen mitnehmen und führen kann“. Wenn aus der Familie niemand als Nachfolger geeignet, sollte eine Übernahme oder Verkauf oder eine Fremdgeschäftsführung eine denkbare Option sein.

Bei einer familieninternen Nachfolge ist eine der größten Herausforderungen, Leidenschaft und Bauchgefühl in die nächste Generation zu übertragen. Die Strategie für die Zukunft wird nur funktionieren, wenn sie individuell zum Junior, seinem Können und seiner Persönlichkeit passt. Der Nachfolger muss sich also intensiv mit der Frage beschäftigen, wo die Brauerei in zehn Jahren stehen soll. Hier sollte zum Beispiel die Auseinandersetzung mit der Frage erfolgen, welche neuen (technologischen) Entwicklungen es gibt bzw. es in naher Zukunft geben könnte und was diese für die eigene Brauerei bedeuten. Welche Chancen oder Gefährdungen ergeben sich hieraus?

Es ist wichtig, dass der Junior früh eingebunden wird und den Strategieprozess prägt sowie die Weichen für die Zukunft stellt. Johannes Ehrnsperger, seit 2019 alleiniger Geschäftsführer der Ökobrauerei Neumarkter Lammsbräu, absolvierte nach einem Betriebswirtschaftsstudium noch ein duales Studium Brau- und Getränketechnologie sowie eine parallele Berufsausbildung zum Brauer und Mälzer. Sehr dankbar ist er seinem Vater, der den Nachfolgeprozess langfristig eingeleitet hatte. So nahm der heute 29-Jährige bereits seit zehn Jahren, in denen die Geschicke der Brauerei in die Hände einer Fremdgeschäftsführung gelegt wurden, am Strategieprozess teil und konnte sich Schritt für Schritt immer mehr einbringen.

Ist die passende Strategie erarbeitet, ergeben sich daraus zukunftsweisende Veränderungen in der Organisation und einzelnen Prozessen als auch in der Unternehmenskultur, die der Nachfolger mit seiner Handschrift prägt. Dieser Transformationsprozess erfordert Zeit und bedeutet Anstrengung. Innerhalb der Unternehmerfamilie sollten sich alle Akteure ihrer verschiedenen Rollen in der Familie und im Unternehmen bewusst sein. So sprechen die gleichen Personen als Eltern und Kind, als Kollegen oder auch als Vorgesetzter und Mitarbeiter miteinander. Eine bewusste und achtsame Kommunikation ist dabei unerlässlich.

Aus Sicht des Juniors Niklas Zötler sei es deshalb die Aufgabe der Nachfolger, einen respektvollen Umgang mit der Senioren-Generation zu pflegen und wichtige Entscheidungen vorab zu besprechen: „Ich hole mir Rat bei meinem Vater ein und treffe dann meine eigene Entscheidung. Unsere Zusammenarbeit beruht vor allem auf Klarheit, Respekt und Ehrlichkeit.“ Mit dieser Einstellung gelang es ihm, sich seinem Vater in der Zusammenarbeit gleichwertig zu fühlen. „Ich hatte nie den Eindruck, dass er die wichtigen Dinge entscheidet und ich als Junior nur die kleinen Sachen machen darf.“

Erfolgsfaktoren für die Unternehmensübergabe

Um die familieninterne Unternehmensübergabe erfolgreich zu steuern, empfiehlt sich die schriftliche Klärung der wesentlichen Themen. Zu den hilfreichen Dokumenten gehört neben der Familienverfassung (Family Governance), die sämtliche Regelungen zum Umgang innerhalb der Familie beinhaltet, das Gesellschafter-Positionspapier (Corporate Governance), das Regelungen zum Umgang der Familie mit dem Unternehmen betrifft. Des Weiteren sollte auch die Unternehmensstrategie als gemeinsames Zielbild aus Senioren- und Junioren-Sicht formuliert sowie ein Organisationsmodell festgeschrieben werden. Die gemeinsame Vorstellung, wie das Unternehmen zukünftig geführt und gesteuert werden soll und das gegenseitige Verständnis für die Entscheidungen von Senioren und Junioren helfen, auf Augenhöhe einen weichen Übergang zwischen den Generationen zu schaffen.

Erschienen in: BrauWelt, 19.12.2019

Lesedauer: 9 Minuten

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