Transformational Leadership

Warum sich das Management von tayloristischen Methoden befreien muss

Johannes Josnik

Johannes Josnik

Geschäftsführender Gesellschafter

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Die (Geschäfts-) Welt, in der wir leben, wird immer volatiler, unsicherer und komplexer. Veränderungen zeichnen sich mit zunehmender Deutlichkeit ab und Unternehmenslenker stehen vor immer größeren Herausforderungen. Die Corona-Krise beschleunigt all diese Tendenzen zusätzlich und zeigt uns erbarmungslos, wie dringend wir umdenken und handeln müssen, statt weiter zuzusehen und im Status quo zu verweilen (vgl. Müller, Henrik: Die Welt nach der Krise).

Den Begriff der „VUKA-Welt“ gibt es nämlich nicht erst seit Beginn der globalen Pandemie Anfang 2020 – Ökonomen beschäftigen sich bereits seit den 1990er Jahren mit diesen einschneidenden Veränderungen der Märkte und dennoch ist in vielen Unternehmen bisher erschreckend wenig passiert. Dabei ist der fortschreitende Wandel mehr Chance als Bedrohung, wenn man versteht, ihn zu nutzen, statt dagegen anzukämpfen (vgl. Schleidt, Daniel: Warum Corona eine Chance sein kann).
 

Corona als Brandbeschleuniger

Wie so oft braucht es jedoch einen Auslöser, einen Notstand, damit unser Leidensdruck hoch genug ist, um Bereitschaft für Veränderung zu schaffen. Die Corona-Krise ist definitiv eines dieser Ereignisse. Eine seismische Verschiebung für nahezu alle Branchen – der Brandbeschleuniger, der in kürzester Zeit teilweise seit Jahrzehnten lodernde Flämmchen in vielen Unternehmen zu einem Flächenbrand werden lässt. Corona erhöht die Sichtbarkeit von Mängeln in der Wirtschaft signifikant und zeigt Unternehmern schonungslos, wie zukunftsfähig ihr Geschäftsmodell tatsächlich ist. Die ersten großen Corona-Insolvenzen belegen das unmissverständlich: Seit langem strauchelnden Branchenriesen wie Galeria Karstadt Kaufhof oder Vapiano wurde durch die mit Corona einhergehenden Einbußen der entscheidende Dolchstoß versetzt. Doch auch gesund scheinende, mittelständische Unternehmen geraten immer mehr unter Druck und kommen den Grenzen ihrer Liquidität gefährlich nahe oder haben sie bereits erreicht (vgl. KfW Research).

Es bleibt die Hoffnung, dass das große Aussterben des deutschen Mittelstands nur eine sich nicht bewahrheitende apokalyptische Theorie ist.

Die offensichtlichen Schwächen des Taylorismus und transaktionaler Führung

Doch wieso sind dermaßen viele Unternehmen verschiedenster Branchen offenbar nicht optimal für die Zukunft gerüstet? Eine Antwort ist sicherlich plausibel: In vielen Unternehmen werden nach wie vor tayloristische Prinzipien aus dem Industriezeitalter praktiziert. Auch heute sind viele Organisationen in erster Linie von (Kosten-) Effizienz getrieben und streben eine höchstmögliche Standardisierung durch Prozesse an.

Auf der Führungsebene bedeutet das, dass ausschließlich das Management das Denken übernimmt und Mitarbeiter lediglich als Befehlsempfänger fungieren. Folglich ergibt sich ein vorrangig transaktionaler Führungsstil, der im Grunde von einer Austauschbeziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeitenden gekennzeichnet ist. Im Rahmen dieses Austauschs erfahren die Geführten einerseits Wertschätzung für positive Leistungen und andererseits negatives Feedback für mangelhafte Leistungsqualität. Eine Einbeziehung bzw. ein Mitspracherecht von involvierten Mitarbeitern ist hierbei nicht vorgesehen oder erwünscht.

Die aus diesen Praktiken resultierende, große Bedeutung von Hierarchien und eine starke Ausprägung klassischer Bürokratie erschweren es jedoch enorm, der immer höher werdenden Komplexität und Dynamik des Umfelds gerecht zu werden und entsprechend angemessen auf Veränderungen zu reagieren. Wie obsolet und bedrohlich die Praxis dieser Prinzipien in der heutigen Zeit tatsächlich ist, zeigen uns Bauprojekte wie der Flughafen BER oder die Elbphilharmonie in Hamburg – ein regelrechter Weckruf für einen alternativen Ansatz im Umgang mit steigender Komplexität. Tayloristische Praktiken wie pedantisches Kosten-Controlling, eine gelebte Absicherungskultur und stringente Aufgabenerfüllung nach Handlungsanweisungen haben ausgedient.
Veränderte Rahmenbedingungen verlangen einen Wandel im Inneren und Negativ-Beispiele wie Quelle, Großdruckerei Schlott, Nokia oder Kodak zeigen uns plakativ, dass wir uns dieser inneren Transformation nicht verweigern sollten (vgl. Meyer, Cornelia: Wenn Marktführer abstürzen: Diese bekannten Konzerne sind grandios gescheitert).

Corona als Treiber der Digitalen Transformation

Neben all dem Negativen, das die aktuelle Krise mit sich bringt, zeichnen sich jedoch auch erfreuliche Tendenzen ab. Die mit Corona einhergehenden Restriktionen befeuern weltweit die Digitalisierung von Organisationen. Microsoft CEO Satya Nadella gab kürzlich bekannt, dass man im März und April 2020 das Ausmaß von zwei Jahren digitaler Transformation innerhalb von zwei Monaten erlebt hätte. So komme Microsoft Teams aktuell auf etwa 75 Mio. Nutzer täglich – doppelt so viel wie noch Anfang März.

Die Corona-Not schafft offenbar Bereitschaft, neue Wege zu gehen. Während Home-Office in vielen Unternehmen bis zuletzt noch ein Begriff war, der bei konservativen Führungskräften die Alarmglocken schrillen ließ, erfolgte jetzt innerhalb kürzester Zeit die Umstellung auf Heimarbeit in fast allen Branchen. Es stellte sich heraus: Remote arbeiten von Zuhause funktioniert tatsächlich – dezentrales Arbeiten geht nicht zwangsläufig mit dem Verlust von Kontrolle über Mitarbeiter einher (vgl. Balser, Markus: Wie die Corona-Krise die Arbeitswelt verändert). So hält Corona Deutschland den digitalen Spiegel vor und offenbart, wie sehr die Digitalisierung in den vergangenen 10 Jahren versäumt wurde. Ein ganzes Land erwacht aus einem digitalen Winterschlaf und fängt nun auf allen Ebenen an, den digitalen Wandel entschlossen anzugehen (vgl. Stocker, Frank: Plötzlich schafft Deutschland, was bisher unmöglich schien).

Transformational Leadership – Mindshift durch Metanoia

Der erste Schritt ist also gemacht – die erste Chance der Krise wurde zwangsweise ergriffen und Unternehmen schaffen es nach und nach, ihre digitale Panik abzulegen. Das alleine wird sie auf lange Sicht jedoch nicht wettbewerbsfähiger bzw. zukunftssicherer machen. Es braucht zusätzlich ein radikales Umdenken, einen Paradigmenwechsel – Metanoia (phil.: innere Umkehr, Änderung der Weltsicht) – bei den Unternehmern und Führungskräften unseres Landes. Um hoffnungsvoll in die Zukunft blicken zu können, müssen wir es schaffen, Komplexitätsrobustheit aufzubauen und uns von tayloristischen, transaktionalen (Führungs-) Prinzipien zu lösen.

Die Problemstellungen, denen Unternehmen heute gegenüberstehen, sind zu komplex für Solo-Entscheidungen von Managern – zukünftig braucht es eine Transformation des Führungsverhaltens hin zu partizipativer, integrativer Führung. Eine agile Kultur des offenen Miteinanders statt staubiger Top-Down-Befehlsketten. Führungskräfte als Coaches und Mentoren, die Ängste und Stress ihrer Mitarbeiter in Motivation und Höchstleistung verwandeln. Ein Umfeld, in dem das Neue und Unbekannte Selbstverständlichkeit wird und der Innovationsmut schwerer als das Sicherheitsbedürfnis wiegt (vgl. Kortmann, Olaf: Transformationale Führung).

Führungskräfte müssen zukünftig als Vorbild mit einer klaren Vision vorangehen und lernen, ihre Mitarbeiter mittels Inspiration, Sinngebung und vor allem auch durch eine stabile, individuelle Vertrauensbasis zu neuen Bestleistungen zu motivieren. Dabei spielt das aktive Vorleben von Werten eine zentrale Rolle. Werte sind enorm wichtig, können aber nicht vorgeschrieben werden. Durch Vorbilder werden sie jedoch sichtbar und können von der Belegschaft adaptiert werden.

Viele Führungskräfte und Unternehmen hoffen nach wie vor, dass mit Lockerung der Corona-Restriktionen wieder „Normalität“ einkehrt. Doch die Veränderungen, deren Zeuge wir aktuell werden, sind so außerordentlich, dass wir zukünftig von einer Zeit vor bzw. nach Corona sprechen werden. Führungskräfte, die notwendige Transformationsprozesse aktiv gestalten möchten, müssen sich also dringend überlegen, wie sie sich, ihren Führungsstil sowie ihr gesamtes Unternehmen an diese radikale Veränderung der Rahmenbedingungen anpassen wollen und müssen (vgl. Thorborg, Heiner: So sieht unsere Wirtschaft nach Corona aus).

Freilich sind deutsche Unternehmen durch Zentralisierung, hierarchischer Führung und Effizienzstreben groß geworden. Groß bleiben werden Sie aber nur, wenn sie lernen, der immer komplexer werdenden Welt mit Flexibilität und Innovationskraft zu begegnen. Und dazu braucht es eben auch die richtige, transformationale Führung.

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