Voice of Customer

Betroffene zu Beteiligten des Strategieprozesses machen

Tobias Müller

Tobias Müller

Alle reden darüber, nur wenige setzen es wirklich um: Kundenorientierung oder neudeutsch Customer Centricity. Die Orientierung auf Kunden und Märkte ist ohne Zweifel eines der wichtigsten Elemente in Unternehmensstrategien. Doch lassen erstaunlich wenige Unternehmen die Betroffenen mitsprechen: die Kunden.

Kunden und Märkte im Strategieprozess

Viele Unternehmen begreifen die Strategieentwicklung als ein einmaliges Projekt, das bestenfalls alle paar Jahre wiederholt wird. Tatsächlich aber ist die Strategieentwicklung bzw. die Weiterentwicklung der Strategie ein stetiger Prozess der jährlich durchlaufen werden sollte.

Ein Kernelement der Strategieentwicklung ist die Frage nach Trends und Entwicklungen auf den Märkten des Unternehmens. „Kunden & Märkte“ ist folgerichtig ein Themenbereich, der in jeder Strategie aufgegriffen werden muss. Unternehmen beschreiben damit, auf welche Zielgruppen und Marktsegmente die strategische Marktbearbeitung abzielt. Dabei ist es wichtig, die priorisierten Kundengruppen und Marktsegmente möglichst genau zu verstehen. Die Anforderungen an die Leistungen des Unternehmens sind ebenso entscheidend, wie die Wettbewerbsverhältnisse. Nur wenn hierüber eine fundierte Informationslage besteht, können Unternehmen die richtigen Schlussfolgerungen für die eigene Strategie ziehen.

Darüber hinaus wird Kundenorientierung gerne als eines der wichtigsten Unternehmensziele und Antreiber formuliert. Erfolgreiche Unternehmen wie Apple oder Amazon leben diese Kundenorientierung, oder neudeutsch Customer Centricity vor und zeigen, was erreicht werden kann, wenn der Kundennutzen wirklich in den Mittelpunkt des Handelns gestellt wird.

Kunden werden selten gefragt

Umso erstaunlicher ist es festzustellen, dass in der Praxis genau diese Kunden an deren Nutzen man sich zu orientieren vorgibt, oft nicht in den Strategieentwicklungsprozess eingebunden werden. Wenn die Meinungen, Wahrnehmungen und Anforderungen der Kunden aber nicht explizit in der Strategie berücksichtigt werden, wird es später in der Strategieumsetzung schwierig. Nicht selten empfinden sich Kunden als „Betroffene“ der Strategie von Unternehmen. Ziel der Kundenorientierung ist aber genau das Gegenteil: aus Betroffenen sollen Beteiligte werden.

Wir alle kennen Situationen, in denen man sich man sich als Kunde fragt, was sich das Unternehmen wohl dabei gedacht hat. Ein Beispiel aus dem täglichen Leben: als Kunde eines Paketdienstes wird man heutzutage ständig über den neuesten Stand der Sendungszustellung per Email informiert. Vor dem Hintergrund stetig zunehmender Versandgeschäfte und mittlerweile einer gewissen Übung im Prozess kann man den Kundennutzen zumindest kritisch hinterfragen.

Kunden eine Stimme geben

Es stellt sich nun die Frage, wie es gelingen kann die Kundenwahrnehmung und -meinung in den Strategieentwicklungsprozess einzubinden. Hierfür gibt es verschiedenste Möglichkeiten. In der Praxis am weitesten verbreitet ist leider der Versuch, über den eigenen Vertrieb und eventuell auch das Marketing oder sonstige kundennahe Funktionsbereiche die Stimme des Kunden abzubilden. Das kann sicherlich eine sinnvolle Ergänzung sein, aber es muss davor gewarnt werden, es dabei zu belassen. Es ist ein bisschen wie beim Stille Post-Spiel: jede Stufe im Spiel versteht die Botschaft der vorherigen etwas anders und interpretiert sie subjektiv. Was am Ende dabei herauskommt, ist selten das, was der erste Sender versuchte zu sagen.

Besser funktionieren die vielfältigen Möglichkeiten der Marktforschung. Ohne hier auf Details einzugehen, gibt es bspw. verschiedene Varianten von qualitativen Studien. Grundsätzlich werden qualitative Methoden immer dann eingesetzt, wenn zu dem Untersuchungsgegenstand noch sehr wenig Wissen und / oder noch keine brauchbaren Hypothesen vorliegen. Als Methoden bieten sich verschiedene Formen von Interviews und Fokusgruppen an. So könnte etwa ein Unternehmen der Bauzulieferindustrie mit Vertriebsmitarbeitern des Fachhandels besprechen, wie digitale Tools zur Vertriebsunterstützung aussehen könnten.

Liegen bereits relativ konkrete Hypothesen vor, die auf ihren Wahrheitsgehalt und ihre Allgemeingültigkeit geprüft werden müssen, bieten sich dagegen quantitative Ansätze an. Der Klassiker ist die Kundenzufriedenheitsbefragung, mit der die Wahrnehmung der Kunden oder nachgelagerten Kunden von verschiedenen Leistungen des Unternehmens überprüft wird. Was nach einer eher einfachen Methodik klingt, birgt erhebliche Potenziale, wenn es professionell angegangen wird. Nicht selten werden große Aha-Effekte erzeugt, wenn Kundenmeinungen zu Einzelleistungen gesammelt erhoben und dargestellt werden. Solche Befragungen bringen erhebliche Mehrwerte für strategische Richtungsentscheidungen.

Eine Frage, die für alle Ansätze der Marktforschung zu klären ist, ist die nach der Auswahl der Zielgruppen. Es liegt auf der Hand eigene Kunden zu befragen. Mithin die größten Erkenntnisse erhalten Unternehmen jedoch von potenziellen Kunden, die genau nicht die eigenen Produkte, sondern Wettbewerbsprodukte oder Substitute nutzen. Auch kann es gerade im Rahmen der Strategieentwicklung sehr sinnvoll sein, mit potenziellen neuen Kunden potenzieller neuer Geschäftsfelder zu sprechen. Gerade hier verfügt das Unternehmen ja nur über geringe eigene Erfahrungswerte und muss sich viele Erkenntnisse erst erarbeiten. Grobe Fehler können durch smarte Marktforschung vermieden werden.

Last not least ist ein weniger verbreiteter Ansatz zu nennen: der Kundenbeirat. Ein Kundenbeirat stellt ein mehr oder weniger formalisiertes Gremium dar, das explizit dafür eingerichtet wird, einem ausgewählten Kundenkreis die Möglichkeit zu geben, im Vorfeld zu bestimmten Entscheidungen der Unternehmensführung ihre Meinung beizutragen. Was zunächst etwas ungewöhnlich klingt, kann in einer intelligenten Ausgestaltung entscheidend dazu beitragen, dauerhaft den Kundennutzen zu einem wichtigen Maßstab für Entscheidungen zu machen. Allerdings sind hier einige Details in der Ausgestaltung zu bedenken, wie bspw. die Incentivierung der Kunden, sich an diesem Gremium zu beteiligen und auch die Erwartungshaltung, die bei den Beteiligten eventuell geweckt wird. Zu bedenken ist auch, dass nicht jeder Kunde Mitglied sein kann und sich somit Nicht-Mitglieder ausgeschlossen fühlen könnten.

Grundsätzlich sollten die marktforscherischen Methoden genauso wie die Strategieentwicklung nicht nur als einmaliges Highlight gesehen werden, sondern im regelmäßigen Turnus wiederholt werden. Veränderungen in der eigenen Marktbearbeitung werden sich auch in den Er-gebnissen der Marktforschung niederschlagen, oder sie entfalten keine Wirkung. Beides wird ein strategisch handelndes Unternehmen wissen wollen.

Fazit

Ohne die Stimme des Kunden sind strategische Entscheidungen kaum im Sinne des Kunden zu treffen. Jedes Unternehmen, dass im Rahmen der eigenen Strategieentwicklung mit Begriffen wie Kundennutzen, Kundenorientierung oder Customer Centricity hantiert, sollte hierzu unbedingt auch die Kunden zu Wort kommen lassen.

Die hierfür denkbaren Ansätze sind vielfältig. Und erfahrungsgemäß sind die Erkenntnisse immens. Gerade in der regelmäßigen, fast schon standardisierten, Gegenprüfung von konzeptionellen Ideen mit der Kundenmeinung liegt ein signifikanter Mehrwert. Wenn Kunden zu Beteiligten werden, statt Betroffene zu bleiben, wird die Unternehmensstrategie besser, treffender und am Ende auch umsetzbarer.

Bei Weissman & Cie. begleiten wir seit über 30 Jahren Unternehmen in ihren Strategieprozessen. Die Kundenwahrnehmung berücksichtigen wir dabei jeweils mit spezifischen Ansätzen. Sprechen Sie uns an!

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