Fremdmanager in Familienunternehmen

Acht Tipps für die Auswahl

Prof. Dr. Arnold Weissman

Prof. Dr. Arnold Weissman

Gesellschafter

Manche Publikationen vermitteln geradezu den Eindruck, Geschäftsführer und Top-Manager seien die Rockstars der Geschäftswelt, voller Selbstvertrauen und Energie, um die Welt erobern zu können. Doch in Wirklichkeit ist dies manchmal ganz anders: Dort trifft man Menschen, die speziell vor der Übernahme einer Top-Führungsfunktion in einem Familienunternehmen gehörigen Respekt haben. Und gerade in Familienunternehmen ist diese Art von Demut eine gute Sache!

Wenn man bis an die Spitze eines Familienunternehmens kommt, so hat man formal das höchste Amt im Unternehmen, ist nicht mehr weisungsgebunden − und gerade jetzt sollte man sich über eine Sache immer im Klaren sein: Manager können kommen und gehen, die Familie und vor allem die Eigentümer bleiben. Wenn Sie als Eigentümer Ihr Unternehmen fremden Managern anvertrauen, dann übergeben Sie nicht nur die Verantwortung für Ihr Unternehmen. In der Regel ist auch der größte Teil Ihres Familienvermögens im Wert des Unternehmens gebunden. Sie haben in Ihrer Vermögensbilanz ein Klumpenrisiko und das wertvollste Asset wird dann durch Nicht-Familienangehörige verwaltet und gestaltet. Dies muss man auch als Unternehmer erst einmal verkraften, vor allem, wenn es um schwierige Entscheidungen oder sogar um Krisen geht.  

Was sind sie also, die acht Tipps für die Übergabe an Fremdmanager im Familienunternehmen?

  1. Suchen Sie sich Personen aus, die Lust auf Familienunternehmen haben, die sich im Umfeld eines inhabergesteuerten, aber managementgeführten Unternehmens wohlfühlen und die davon überzeugt sind, sich dort entwickeln zu können.

  2. Familienunternehmen denken in Generationen, nicht in Quartalen. Stabilität ist hier wichtiger als Rentabilität und deutlich wichtiger als Wachstum. Suchen Sie sich Personen aus, für die diese Reihenfolge Teil der DNA ist. Sagen sie Ihnen von Anfang an, dass es Ihnen darum geht, die langfristige Unabhängigkeit zu behalten und dass dies das höchste Gut in Ihrem Unternehmen ist.

  3. Familienunternehmen sind in ihren Entscheidungsprozessen oft deutlich schneller und auch impulsiver als Kapitalmarktunternehmen. Hier brauchen Sie kein kompliziertes Stakeholder-Management mit anspruchsvollen Kommunikations- und Entscheidungsritualen: Hier gibt es ein Gespräch mit der Eigentümerfamilie, eine enge Abstimmung und dann wird entschieden; schnell und unkompliziert. Suchen Sie sich Personen aus, die genau dies wollen, die auf der Basis klarer Wertesysteme schnelle Entscheidungen treffen können – und die sie dann auch konsequent umsetzen. Es kann so viel schöner sein, dass man seine Entscheidungen nicht jedes Quartal vor Investoren und Analysten rechtfertigen muss.

  4. Familienunternehmen sind oft geprägt durch eine sehr starke, eigene Unternehmenskultur. Kultur, gelebte Werte: Das ist das Fundament, auf dem erfolgreiche Familienunternehmen langfristig die Zukunft sichern. Unternehmenskultur ist die Summe der Selbstverständlichkeiten Ihres Unternehmens. Suchen Sie sich Manager aus, die im Einklang mit Ihren Werten stehen, die sie selbst leben und die damit als Vorbild für ein starkes, gelebtes Wertesystem agieren können. Und machen Sie bitte Ihren Fremdmanagern eines klar: Es ist nicht deren Aufgabe, die Kultur zu verändern. Es geht vielmehr darum, die Kultur zu verstehen und zukunftsfähig weiterzuentwickeln, anstatt sie auf den Kopf zu stellen.

  5. Echte Führungskräfte können sich selbst führen. Aus dieser Position des Self Leadership können sie Mitarbeiter inspirieren, ermächtigen und ihnen helfen, einen Unterschied zu machen. Führen heißt andere emporheben. Dies können nur Persönlichkeiten, die in der Lage sind, ihr Ego an der Türe zu lassen. Schon gar nicht braucht es Menschen, die mit einem Riesenego hereinkommen, um den Eigentümer selbst damit in den Schatten zustellen. Um es anders auszudrücken: Personen mit einem so ausgeprägten Ego sind grundsätzlich ungeeignet, als externe Fremdmanager ein Familienunternehmen zu führen. Wählen Sie sich Personen aus, die in der Lage sind, „den Raum zu lesen“, die wissen, wie man in einem Familienunternehmen mit Mitarbeitern und Eigentümern gleichermaßen umgehen kann, die in der Lage sind, zuzuhören und herauszufinden, wie sie anderen helfen können, um sich zu entwickeln und zu wachsen. Natürlich sollten Sie Personen mit adäquatem IQ an Bord holen. Doch bedenken Sie bitte: Im Familienunternehmen braucht es einen mindestens so hohen Anteil an emotionaler Intelligenz!

  6. Wenn die Nachfolge durch Fremdmanager im Familienunternehmen gelingen soll, braucht es Zeit, die Sie in den Aufbau von Vertrauen investieren müssen. Unternehmen sind komplexe Systeme. Vertrauen ist eine der besten Möglichkeiten, mit Komplexität umzugehen. Vertrauen ist sehr wertvoll, aber es braucht Zeit, Vertrauen aufzubauen. Es ist die Folge gemeinsam gemachter Erfahrungen. Es ist ein bisschen wie ein Marathonlauf. Im Familienunternehmen geht es nicht darum, den Sprint zu gewinnen, sondern die Langdistanz – und Sie als Unternehmer und Eigentümer sollten bereit sein, diese lange Strecke mit dem neuen Kandidaten auch zu gehen. Seien Sie der Begleiter an seiner Seite. Nehmen Sie den oft sehr hohen Druck ein bisschen heraus und stehen beratend zur Verfügung, wenn dies gewünscht und erforderlich ist. Es ist von grundlegender Bedeutung für den Erfolg des Übergangs, wenn Sie bereit sind, solche Beziehungen aufzubauen.

  7. Suchen Sie sich Menschen aus, bei denen die Chemie stimmt. Man kann sich weder mit einer Marke noch mit einem Unternehmen identifizieren – dies kann man nur mit seinen Werten. Das Gleiche gilt auf der menschlichen Seite. Suchen Sie jemanden aus, der gerne für Sie und Ihr Unternehmen arbeitet, weil er die gleichen oder zumindest ähnliche Werte hat. Respekt, sich auf Augenhöhe betrachten können, menschliche Qualitäten: Dies ist mindestens so wichtig wie die fachliche Eignung. Und suchen Sie sich jemanden aus, mit dem Sie gerne Zeit verbringen, nicht nur auf der Arbeitsebene.

  8. Geschäftsführer wird man per Vertrag – Führungskraft wird man, wenn einem Menschen folgen. Nur Führende haben Folgende! Wie sagte schon der Managementpapst Peter Drucker: Culture eats Strategy for Breakfast. Sie können die beste Strategie, das beste Managementmodell haben: Wenn Sie eine schlechte Kultur pflegen und keine Anhänger finden, haben Sie nichts. Genau dies ist der Punkt, der bei Fremdbesetzungen häufig viel zu kurz kommt. Holen Sie jemanden, der zu Ihren Mitarbeitern eine Kultur des Vertrauens aufbauen kann. Fremdmanager stehen oft vor der Aufgabe, Bestehendes zu bewahren und gleichzeitig das Unternehmen in die Zukunft zu führen. Stolz auf das Erreichte, offen für die Veränderung – diese Balance zwischen Bewahren und Verändern ist entscheidend für den Erfolg!  

Fazit

Fremdmanagement im Familienunternehmen ist eine besonders anspruchsvolle Aufgabe, bei der neben der fachlichen Eignung ganz besondere Persönlichkeitsstrukturen erforderlich sind. Suchen Sie einen Kandidaten aus, der zu Ihrer Kultur, zu Ihren Werten und zu Ihrer Identität als Familienunternehmen passt.

Erschienen in: Unternehmeredition 03/2023

Fremdmanager in Familienunternehmen

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