Unfähige Nachfolger?

Große Erwartungen und große Verantwortung

Dr. Moritz Fehrer

Dr. Moritz Fehrer

Projektleiter

„Da ist er wieder, dieser junge Kerl im Porsche, mit dicker Uhr und seit kurzem auch noch Geschäftsführer. Wenn seinem Papa die Firma nicht gehören würde, dann wäre er nichts. Was hat er denn schon selbst geleistet, außer diesem Studium am Bodensee oder an dieser anderen Uni in den Weinbergen?“ – Kennen Sie solche Sätze oder Gedanken? Kein Wunder, sind es doch die häufigsten Vorurteile, mit denen sich junge Nachfolger aus Familienunternehmen auseinandersetzen müssen. Vorurteile? Ja, denn auch wenn es Ausnahmen geben mag, die meisten jungen Unternehmensnachfolger kommen ihrer familiären, wirtschaftlichen und sozialen Verantwortung sehr wohl nach.

 

Deutschland ist das Land der Familienunternehmen – es sind ca. 3,15 Millionen Familienunternehmen in Deutschland (Quelle: IfM) die unseren Wirtschaftsmotor am Laufen halten. Das bedeutet aber auch, dass ca. 3,15 Millionen Familien Verantwortung übernehmen, wenn wir davon ausgehen, dass manche Familien mehr als ein Unternehmen haben und an einem anderen Unternehmen mehrere Familien beteiligt sind.

Wir merken also bei einer so großen Zahl ist es gar nicht mehr so einfach in Stereotypen zu denken. Experten gehen davon aus, dass nach aktuellen Schätzungen im Zeitraum von 2018 bis 2022 rund 150.000 Familienunternehmen auf die nächste Generation übertragen werden. Dies entspricht 30.000 Übergaben pro Jahr (Quelle: IfM). Viele dieser Generationswechsel werden scheitern, denn Nachfolge ist nun einmal die häufigste Ursache für den Niedergang eines Imperiums. Einige dieser Untergänge werden auch von den Nachfolgern verursacht werden, die große Mehrzahl wird aber andere Ursachen haben, wie bereits in der Vergangenheit gescheiterte Geschäftsmodelle, seit Jahren fehlende Investitionen, mangelnde Vorbereitung oder aber auch Schicksalsschläge wie Krankheit und Tod innerhalb der Familie.

Eine der Hauptherausforderungen mit denen ich mich regelmäßig beschäftigen darf ist dabei die Etablierung einer professionellen Family Governance z.B. zur Nachfolgeregelung. Es geht dabei aber auch oft um Themen wie die Besetzung eines professionellen Beirats/ Aufsichtsrats bzw. der Etablierung einer Familienverfassung oder die Erarbeitung eines Gesellschafterpositionspapiers.

Die Hauptherausforderung der nächsten Jahre wird aber sicherlich sein, überhaupt einmal willige Nachfolger zu finden. Denn wie überall in Deutschland, so schlägt auch hier die Alterspyramide erbarmungslos zu. Rund 42% der zu übertragenden Unternehmen suchen händeringend einen Nachfolger, der ihr Unternehmen weiterführt (Quelle: KfW)

Verantwortung zählt

„Aha“, werden vielleicht einige von Ihnen jetzt sagen, „diese Schnösel bekommen die Unternehmen also auf dem Silbertablett serviert und wollen sie trotzdem nicht.“ Auch hier muss ich Sie enttäuschen: der Mangel an Nachfolgern liegt zum einen daran, dass es zu wenige junge Menschen an sich gibt, zum anderen, dass Selbstständigkeit nun einmal in erster Linie zwei Dinge bedeutet. Selbst und ständig! Generation Why, Millenial, Snowflake, Z oder wie auch immer man die nach 1980 Geborenen nennen will, legt nun einmal mehr Wert auf Life Balance und verfolgt andere Ideale als frühere Generationen. Angesichts der Bedeutung, die Familienunternehmen in Deutschland spielen, sollten wir also jedem jungen Menschen dankbar sein, der bereit ist Verantwortung für sich, seine Familie, den Betrieb und seine Mitarbeiter zu übernehmen.

„Ja, aber die zahlen doch nicht einmal Steuern…“ höre ich Sie in meinem geistigen Gehör sagen. Stimmt, also fast, naja, eigentlich nicht. Mit der Erbschaftssteuer in Deutschland ist das so eine Sache; niemand mag Steuern, aber die Erbschaftssteuer ist so ziemlich die umstrittenste und intransparenteste von allen. Es gibt meines Wissens nach keine Steuer, die in den letzten Jahren so oft diskutiert und reformiert wurde wie das Erbschaftssteuergesetz. Laut dem Spiegel Magazin werden jedes Jahr in Deutschland ca. 400 Milliarden Euro Vermögen übertragen, davon bekommt der deutsche Fiskus, ca. 5,5 Milliarden Euro. Das klingt viel, ist es angesichts der jährlichen Steuereinnahmen von 713,6 Milliarden Euro (<2%!) aber nicht. Diese Steuer bezieht sich wohlgemerkt auf Vermögen, welches zu Lebzeiten auch schon vom Erblasser versteuert wurde. Die Erbschaftssteuer ist also eine doppelte Versteuerung des eigenen Besitzes. Wer jetzt auch noch an eine Vermögenssteuer denkt, wird erkennen, dass wir es dann schon mit einer dreifachen Steuer desselben Besitzes zu tun haben. Dass es auch anders geht, zeigen unsere Nachbarn in Österreich, wo die Erbschaftssteuer schon vor vielen Jahren abgeschafft wurde. Notkrücken, wie eine Frist- und Regelverschonung sind aus meiner Sicht ein schlechter Kompromiss und Einmischung in die unternehmerische Freiheit.

Große Fußstapfen und große Erwartungen

Kommen wir zu unserer Ausgangsbetrachtung des Porsche fahrenden, jungen und erfolgreichen Nachfolgers zurück. Ja, es stimmt, viele Nachfolger besetzen sehr oft schon sehr früh Stellen, an denen sie in einem vergleichbaren Großkonzern noch lange nicht sitzen würden. Nicht übersehen sollte man dabei aber, dass die meisten dieser Nachfolger über eine sehr gute Ausbildung verfügen und auch in ihrer Freizeit – und das schon von Kindesbeinen an – auf ihre spätere Rolle vorbereitet werden. Thomas Hoyer z.B., gerade mit dem deutschen Gründerpreis geehrt, musste schon seit frühester Jugend im väterlichen Unternehmen mithelfen. Walter Hoyer wäre es niemals eingefallen, seinen Sohn in den Ferien nicht in die Pflicht zu nehmen. Aus dieser seit frühester Jugend gelebten Verantwortung entsteht eine Mentalität wie man sie heute leider nicht mehr häufig findet. Beträgt die Halbwertszeit eines DAX-Vorstands gerade einmal drei Jahre, führen Familienunternehmer ihr Unternehmen in der Regel für gut 30 Jahre eigenverantwortlich. Viele dieser Nachfolger sind sich ihrer Privilegien bewusst und haben ein sehr ausgeprägtes Bestreben, die in sie gesetzten Erwartungen nicht nur zu erfüllen, sondern gar zu übertreffen. Denken wir dabei nur an junge, erfolgreiche Erben und Unternehmer wie Marie-Christine Ostermann aus Hamm oder Max Viessmann aus Allendorf. Es sind genau diese Menschen meiner Generation, auf die ich vertraue.

Wir sollten uns also nicht von einigen wenigen Negativ-Beispielen aus Grünewald oder den Karneval-Metropolen beirren lassen – Deutschland ist das Land der Familienunternehmer, wir brauchen Nachfolger und auf diese können wir zurecht stolz sein.

Der richtige Rahmen

Unsere Aufgabe sollte vielmehr sein, neben guten Bedingungen für Gründer auch gute Bedingungen für Nachfolger zu schaffen. Das ist eine Aufgabe, an der sich alle beteiligen können, egal ob Politik, Wirtschaft oder eben in besonderem Maße auch die Unternehmerfamilie. Rechtzeitig Loslassen und Verantwortung übertragen ist und bleibt die edelste und schwierigste Aufgabe eines jeden Familienunternehmers. Ich bin sehr neugierig darauf zu sehen, was die junge Generation anders machen wird als ihre Väter. Was denken Sie, was muss sie vielleicht sogar anders machen, um heutzutage überhaupt erfolgreich sein zu können?

Unfähige Nachfolger?

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