Führung in Zeiten der Veränderung

Erfolgsgeheimnisse resilienter Führungskulturen

Julian Vögele

Julian Vögele

Senior Projektleiter

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Die sich ständig verändernde Unternehmenswelt erfordert klare Strukturen und eine effektive, resiliente Führung, um den Herausforderungen erfolgreich zu begegnen. In unseren Beratungsprojekten begegnen wir häufig Familienunternehmen, die ein einheitliches Führungsbild vermissen lassen. Dies führt zu unterschiedlichen Führungsstilen und -ansätzen, was nicht nur die Effizienz beeinträchtigt, sondern auch die Widerstandsfähigkeit gegenüber den Herausforderungen der Branche schwächt.

Bei einem mittelständischen Logistikdienstleister mit ca. 2000 Mitarbeitern führte die Einführung eines Führungsleitbildes und eines Führungskompetenz-Assessments nicht nur zu einer einheitlichen Führungskultur, sondern förderte auch die Selbstentwicklung der Führungskräfte sowie deren Resilienz.

Die Herausforderungen

Für viele Führungskräfte in Familienunternehmen ist der Übergang von einer fachlichen zu einer Führungsrolle kein Selbstläufer. In unserem Beispiel setzte sich die Führungsebene aus Fachexperten verschiedener Bereiche zusammen – von der Lagerlogistik über die Transportlogistik bis hin zu IT und Kundenservice – und steckte noch tief im operativen Tagesgeschäft fest. Die Tatsache, dass viele Mitarbeiter zum ersten Mal eine Führungsrolle innehatten, machte die Situation nicht leichter. 

Fehlende Führung spiegelt sich bei den Mitarbeitern in Form fehlender Leitplanken und Ziele, geringer Motivation und erhöhtem Konfliktpotenzial wider. Gleichzeitig beschwerten sich die Führungskräfte über zu viel operative Last und betonten, dass sie alles selbst machen müssten. Eine zentrale Herausforderung bestand folglich darin, eine Führungskultur aufzubauen, die es den Führungskräften ermöglicht, sich von den fachlichen Themen sukzessive zu lösen und ihren Mitarbeitern Themen eigenverantwortlich zu übergeben.

Gemeinsamer Prozess der Führungsleitbildentwicklung

In interaktiven Workshopformaten sollte die Führungsebene zunächst gemeinsam über ihre Funktionen reflektieren und ein gemeinsames Leitbild, als Grundlage für ein einheitliches Führungsverständnis, erarbeiten. Dieser Prozess förderte nicht nur den Austausch zwischen den Führungskräften, sondern brachte auch Konfliktthemen an die Oberfläche, die in der weiteren Entwicklung der Führungskultur adressiert werden konnten. 
Doch wie entwickelt man ein solches Leitbild?

1. Anforderungen an den perfekten Mitarbeiter: In Workshops baten wir zunächst die Führungskräfte, die Anforderungen an einen perfekten Mitarbeiter zu formulieren. Dabei ging es nicht nur um fachliche Kompetenzen, sondern auch um soziale und persönliche Eigenschaften, die einen idealen Mitarbeiter ausmachen. Schnell zeigte sich, dass die Führungskräfte eine Fülle von Ideen und Anforderungen ohne große Anstrengungen definieren konnten.

Beispiel: Sie sollen mutig sein, sie sollen unternehmerisch denken oder sie sollen verbindlich sein. Andere wünschten sich Kreativität oder innovative Arbeitsweisen. Wieder andere forderten Performance.

2. Rahmenbedingungen für ideale Führungskräfte: Anschließend fragten wir die Führungskräfte nach den notwendigen Rahmenbedingungen, die eine ideale Führungskraft bereitstellen muss, damit ein Mitarbeiter entsprechend der Anforderungen agieren kann. Hier zeigte sich, dass die Definition je nach Person unterschiedlich war und deutlich schwieriger gefallen ist. Dies brachte vielseitige Perspektiven auf Themen wie Zielsetzung, Sicherheit, Risikobereitschaft und Mitarbeiterentwicklung.

Beispiel: Einige Führungskräfte betonten die Bedeutung von klaren Zielvorgaben, während andere auf die Förderung von Risikobereitschaft und unternehmerischem Denken hinwiesen. Wieder andere legten den Fokus auf Einforderung von Leistung.

3. Konsolidierung zu Leitlinien: Basierend auf den Anforderungen an den perfekten Mitarbeiter konsolidierten wir die Aufgaben und Rollen einer idealen Führungskraft bezogen auf die individuellen Anforderungen des Logistikunternehmens. Dabei entstanden Leitlinien für die Ausübung dieser Aufgaben im Unternehmen. Dies förderte tiefgreifende Diskussionen und löste lang überfällige Konflikte auf.

Beispiel: Der Leitsatz „Der nachhaltige Unternehmenserfolg steht im Vordergrund all unseres Handelns“ verdeutlichte die Priorisierung der Unternehmensinteressen gegenüber Einzelinteressen. Ein weiterer Leitsatz wie „Wir kommunizieren klar, wenn wir mit der Leistung unzufrieden sind“ verdeutlichte, dass viele Führungskräfte nicht offen kommuniziert haben und ihre Mitarbeiter damit im Dunkeln haben tappen lassen, ohne Probleme anzusprechen, sodass diese unbewusst verschleppt wurden.

Mit den erarbeiteten Rollen, deren Aufgaben und den Leitlinien haben wir schließlich gemeinsam ein Führungsleitbild verabschiedet, welches alle Führungskräfte unterschrieben haben und welches jeder Führungskraft als kleine Broschüre ausgehändigt wurde. Von nun an sollte das Leitbild als klare Richtlinie für die Ausübung der Führungsaufgaben im Unternehmen dienen.

Vom Leitbild zur gelebten Führungskultur

Damit das Leitbild nicht nur auf dem Papier existiert, sondern im Arbeitsalltag verankert wird, ermutigten wir die Führungskräfte zu einer kontinuierlichen Selbstreflexion. Jede Führungskraft sollte sich täglich fragen, inwieweit sie das Leitbild auch wirklich lebt, und individuelle Maßnahmen ableiten, um es in die Praxis umzusetzen.

Um die Selbstreflexion zu fördern, überführten wir das Führungsleitbild in ein Kompetenzmodell. Ziel war es, in Form eines Führungskompetenz-Assessments die einzelnen Aspekte für jede Führungskraft individuell zu prüfen. Hierbei wurden sowohl die Selbst- als auch die Fremdeinschätzung zur Ausprägung der definierten Führungskompetenzen abgefragt. Mit dieser Methodik konnten wir nicht nur Handlungsfelder quantitativ abfragen, sondern auch zeigen, in welchen Bereichen die Selbst- und Fremdwahrnehmung stark voneinander abwichen. In Bereichen, bei denen es zu dieser Abweichung kam, hatten einzelne Führungskräfte entweder ihre Fähigkeiten massiv überschätzt oder unterschätzt. Gleichzeitig zeigte sich, wie gut die Führungskräfte mit Selbstkritik oder Lob umgehen konnten. Diese Erkenntnisse waren extrem wertvoll für die gezielte Entwicklung von Führungskompetenzen und die Stärkung der Führungskultur.

Resilienz in der Führung

Resilienz wurde als zentrale Kompetenz im Führungsleitbild identifiziert, insbesondere da sich das Unternehmen in einer herausfordernden Marktumgebung befand. Resilienz ist zunächst einmal ein individuelles Thema jeder einzelnen Führungskraft. Es beschreibt, wie eine Person mit Rückschlägen und Herausforderungen umgeht. Diese individuelle Resilienz prägt auch die Resilienz des gesamten Unternehmens. Je resilienter die Führungskräfte sind, desto widerstandsfähiger ist auch das Unternehmen. Doch wie wird man resilienter?

Viele Theorien besagen, dass sich Resilienz bereits im Kleinkindalter etabliert. Themen wie Urvertrauen und Selbstbewusstsein spielen hier eine Rolle. Dennoch zeigt die Forschung, dass man sich Resilienz bis zu einem gewissen Grad aneignen kann, insbesondere mit der Sichtweise und dem Mindset auf gewisse Situationen. Eine bewährte Methode, die wir aufgegriffen haben, bezieht sich auf die persönlichen Erfahrungen der Führungskräfte. Die gezielte Nachfrage nach bisherigen Lebensherausforderungen und den darauffolgenden Lösungsansätzen sollte verdeutlichen, dass selbst vermeintlich aussichtslose Situationen lösbar sind und eine positive Denkweise im Umgang mit aktuellen Herausforderungen fördern. 

Konkret bedeutet dies, dass jede Führungskraft bereits Situationen erlebt hat, die auf den ersten Blick nicht lösbar erschienen. Nachdem sie gemeistert wurden, stellt sich oft heraus, dass die Ängste größer waren als die reale Situation und dass man besser direkt an Lösungsmöglichkeiten geglaubt hätte. Genau dieses Mindset galt es in den Übungen zu fördern und durch geteilte Erfahrungen darauf aufmerksam zu machen. Mit dem Bewusstsein, diese Erfahrungen auch für die berufliche Situation sich zunutze zu machen und immer in Lösungen zu denken, sollte die Basis für erhöhte Resilienz der Führungskräfte und damit des Unternehmens geschaffen werden. 

Zusammen mit dem gemeinsamen Führungsleitbild, das Klarheit und Orientierung in unsicheren Zeiten gibt, welches Anpassungsfähigkeit und Flexibilität sowie das Vertrauen und Zusammenhalt fördert, haben wir es geschafft die Resilienz in der Führung zu steigern, indem sich jede Führungskraft ihrer Rolle und ihrer Aufgaben auch in turbulenten Zeiten von nun an bewusst war und stärker denn je an sich glaubte.

Fazit

Insgesamt zeigt sich, dass die Entwicklung eines einheitlichen Führungsbildes und die gezielte Arbeit an den Führungskompetenzen nicht nur eine Notwendigkeit, sondern auch ein Erfolgsfaktor für Familienunternehmen sind. Die Herausforderungen, die aus unterschiedlichen fachlichen Hintergründen der Führungskräfte resultieren, können durch einen strukturierten Prozess überwunden werden. Die Kombination aus individuellem Führungsleitbild, Führungskompetenzmodell und Resilienzförderung bildet dabei einen ganzheitlichen Ansatz für eine erfolgreiche und widerstandsfähige Führungskultur.

Führung in Zeiten der Veränderung

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