Auf Erfolgskurs mit den richtigen Vertriebskanälen

Wie Familienunternehmen durch die Nutzung verschiedener Vertriebskanäle ihr Wachstum steigern und ihre Marktposition stärken können

Julian Vögele

Julian Vögele

Senior Projektleiter

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Ein erfolgreicher Vertrieb ist für jedes Unternehmen unverzichtbar, um seine Produkte oder Dienstleistungen am Markt zu platzieren. Doch um den Kunden zu erreichen, ist es nicht nur wichtig, das passende Produkt anzubieten, sondern auch den richtigen Vertriebskanal, passend zu den Bedürfnissen der verschiedenen Kundensegmente zu wählen. Insbesondere für Familienunternehmen kann diese Entscheidung eine Herausforderung darstellen. Denn es geht nicht nur um die Wahl zwischen Online und Offline, auch der Wechsel zwischen direkten und indirekten Vertriebsmodellen sowie die Berücksichtigung bestehender Strukturen, wie ein bestehendes Händlernetzwerk, spielen eine Rolle und können gegebenenfalls zu internem Wettbewerb führen. Doch wie finden Sie den richtigen Vertriebskanal und was gilt es dabei zu berücksichtigen?

Der Vertriebskanal hat den primären Zweck, Kunden auf Produkte oder Dienstleistungen aufmerksam zu machen, relevante Informationen zur Verfügung zu stellen und zu einem erfolgreichen Kaufabschluss, gefolgt von der Auslieferung des Produktes, zu führen. Um in diesem Prozess Erfolg zu haben, sollte immer der Kunde und dessen Anforderungen an genannte Schritte im Fokus stehen. Doch nicht nur die Erwartungen des Kunden spielen eine Rolle. Auch die Beschaffenheit des Produkts und des Services sowie die generelle strategische Ausrichtung des Unternehmens sind relevant. Diese drei Dimensionen müssen berücksichtigt werden, um zu verstehen, welchen Spielraum sowie Konsequenzen die Wahl der Vertriebskanäle mit sich bringt.

Anforderungen und Erwartungen der Kunden

Starten wir mit den unterschiedlichen Anforderungen und Erwartungen der Kunden. Ein Unternehmen verfügt meist über unterschiedliche Kundensegmente, deren Anforderungen und Erwartungen sich je nach Segment unterscheiden können. Genau deshalb ist es wichtig, diese Anforderungen genau zu verstehen und in die Wahl des Vertriebskanals zu übersetzen. Eine der zentralen Fragestellungen, die wir mit unseren Kunden primär diskutieren, ist die Erwartungshaltung der Kunden in Bezug auf Online-Sales. Während im B2C-Bereich bereits seit über einem Jahrzehnt kein Weg mehr an Online-Vertriebskanälen vorbei führt, hat sich die Erwartungshaltung innerhalb der letzten Jahre auch im B2B-Bereich stark darauf fokussiert. Die reine Onlinepräsenz, in der über Produkte, Ansprechpartner oder ggf. Händler vor Ort rudimentär informiert wird, ist meist nicht mehr ausreichend. Auch im B2B wird nun erwartet, Produkte konfigurieren sowie auf Abruf bestellen zu können und dabei maximale Transparenz zu haben. Der Kunde wünscht sich detaillierte Informationen bzgl. Beschaffenheit, Preise und Lieferzeiten zu erhalten und im besten Fall mit dem Anbieter direkt zu interagieren. 

Ein Paradebeispiel, das in diesem Bereich vor vielen Jahren bereits Standards gesetzt hat, ist die chinesische B2B Plattform Alibaba. Hier hat man als Kunde die Möglichkeit, in vielen Branchen in Form eines modulare Baukastens Produkte zu konfigurieren und anschließend in verschiedenen Volumina produzieren zu lassen. Remote-Sales-Agents bieten Beratung an, sind 24 Stunden alle sieben Tage der Woche verfügbar und schicken unmittelbar nach Fertigstellung der ersten Prototypen Videos, um ggf. Änderungen vorzunehmen. Doch genau dieser Schritt zum digitalen Verkaufskanal im B2B macht vielen Unternehmen reichlich Angst. Auf der einen Seite verfügen Sie nicht über ausreichend Kompetenz und Infrastruktur auf der anderen Seite macht ihnen allein der Gedanke einer solchen Transformation Sorgen. Transparenz verpflichtet und schnell kommt die Frage auf, ob die online vorgestellten Versprechungen gehalten werden können. Hinzu kommt, dass viele Unternehmen es nicht gewöhnt sind, eine solche Transparenz am Markt zu zeigen. Doch um den Erwartungen der Kunden zu folgen, sollte sich das schleunigst ändern. Denn wenn sie es selbst nicht tun, übernimmt es der Wettbewerb. Dabei muss es nicht zwangsläufig die 100%ige Gesamtlösung, z.B. in Form eines eigenen Onlineshops mit vollständiger Kaufabwicklung und angebundenem Warenwirtschaftssystem, sein. Man kann sich dem Thema auch etappenweisen durch erste Pilotprojekte annähern. So kann zum Beispiel der erste Schritt über einen etablierten Online-Marketplace erfolgen. Dieser überzeugt durch Sichtbarkeit sowie Reichweite – das Anfangsinvestment ist überschaubar.  Eine andere Variante ist die Form des Lead-Generators, bei welchem Informationen und Produkt-Konfigurator abgedeckt sind, die weitere Abwicklung aber zunächst über klassische Strukturen mit persönliche Kundenbetreuung erfolgt. Welche Form auch gewählt wird, wichtig ist, hier zeitnah Erfahrungen zu sammeln und für sein Unternehmen und die Kunden den passenden Weg zu finden. 

Doch nicht nur den Aufbau eines Online-Kanals gilt es im Rahmen der Kundenerwartungen zu betrachten. Auch relevante Offline-Formate müssen ausgelotet werden. Gerade in den letzten Jahren haben viele Unternehmen ihr Portfolio weiterentwickelt und die Komplexität der Produkte und Services hat stark zugenommen. Die Kunden wollen deshalb auf der einen Seite mehr Zugang zu Informationen, die sie online erwarten, auf der anderen Seite wünschen sie aber auch gezielte Beratung, die offline stattfindet und die der Komplexität der Produkte und Services gerecht wird. Die Folge sind Überlegungen, ob bestehende indirekte Vertriebskanäle – seien es Handelsvertreter im B2B-Bereich oder Verkäufer im Einzelhandel im B2C – diese Beratungsleistung erbringen können. Die Wahrscheinlichkeit, dass eigens geschulte Außendienst-Mitarbeiter dem Kunden das Produkt besser erklären und ihm die Vorteile aufzeigen können als ein Handelsvertreter, der noch zahlreiche andere Produkte parallel vertreibt, liegt auf der Hand. Ebenso können Firmen in eigenen Stores gezieltes Know-how und Beratung aufbauen. So hat beispielsweise Apple bereits Anfang der 2000er Jahre in den eigenen Stores die Rolle des Product Genius eingeführt, der gezielt für die Kundenberatung und den technischen Support vor Ort verfügbar war.

Am Ende ist es aber wichtig, die Situation unternehmens- und vor allem kundenspezifisch zu prüfen. Denn es gibt auch Argumente für einen mehrstufigen Vertrieb über indirekte Vertriebskanäle. In der Handwerksbranche beispielsweise ist es der Kunde gewöhnt, über Großhändler eine breite Produktpalette angeboten zu bekommen, eine große Auswahl zu erhalten und verschiedene Produkte im Bündel zu besorgen. Es gibt und wird durchaus auch zukünftig Kunden geben, die sich genau diese Anforderung wünschen und so kann es durchaus von Vorteil sein, enge Kooperation mit Großhändlern einzugehen. Hinzu kommt der Punkt, das zahlreiche Vertriebsaktivitäten, wie Aufbau und Betreuung von Verkaufsflächen oder der Kundenservice an Groß- oder Zwischenhändler outgesourced werden können. Nicht zuletzt der Kundenzugang kann ein weiteres Argument darstellen. Doch am Ende ist es auch hier entscheidend, die Argumente individuell zu bewerten. 

Beschaffenheit der Produkte

Neben dem Kunden gibt es eine weitere Dimension die ebenfalls starken Einfluss auf die Wahl des Vertriebskanals hat: die Beschaffenheit des Produkts bzw. Services. Hier gibt es Charaktereigenschaften, wie Größe, Gewicht, Komplexität und weitere, die berücksichtigt werden müssen. Vergleichen wir ein Pharmaprodukt, z.B. ein Medikament, mit einem Baustoffprodukt, z.B. einer Betonplatte. Während wir ein Medikament beliebig versenden können und sich der Online-Vertrieb mit angeschlossenem Versand weitestgehend – und zukünftig mit dem e-Rezept noch einfacher – eignet, sind wir im Bereich der Betonplatten deutlich unflexibler. Hier stellen sich Fragen, wie Umgang mit der Auslieferung, Möglichkeiten der Zwischenlagerung, Betreuung bei Mängeln und vieles mehr.  Die Frage nach guten Partnern liegt nahe und unter anderem hat sich aus diesen Gründen eine Zusammenarbeit mit Großhändlern über viele Jahre etabliert. Wir befinden uns folglich in einem indirektem Vertriebsmodell mit einem mehrstufigem Vertrieb, in dem die Großhändler die beschriebenen Aufgaben abbilden und nebenbei die Funktion einer Vorfinanzierung erfüllen. Natürlich lassen sich für alle Punkte auch Lösungswege in einem Direktvertriebsmodell finden, doch die Zusammenarbeit mit bestehenden Händlern bietet sich durchaus an. 
Ein spannendes Beispiel zu diesem Thema findet sich auch im Bereich der Automobilbranche. Um Fahrzeuge, die lange Zeit offline und über etablierte Händlerstrukturen in einem indirektem Vertriebsmodell vertrieben wurden, zukünftig online verkaufen zu können, wollten auch die großen OEMs wie VW für ihre Elektromodelle ein Direktvertriebsmodell aufbauen.  Doch wie mit der starken Händlerorganisation umgehen, die mit einem Schlag zum Wettbewerber wird? Die Lösung liefert eine charmante Zwischenlösung: das Agenturmodell. Die Händlerverträge wurden dabei so angepasst, dass die Händler fortan als Agenten agierten und für jeden Verkauf eine Provision erhielten. Zusätzlich wurde festgelegt, dass für jede Auslieferung eines online gekauften Fahrzeuges ebenfalls eine Provision gezahlt wird. Damit entwickelte sich die Rolle des Händlers zu einem Agenten bzw. Vermittler und der Wettbewerb zwischen Online-Vertrieb und Händlernetzwerk konnte aufgelöst werden. 

Strategische Ansätze

Abschließend wollen wir auf die strategische Dimension der Unternehmen eingehen. Denn die Wahl des Vertriebskanals hat auch direkte Auswirkungen auf das Geschäftsmodell bzw. befähigt dieses. Dafür wollen wir uns nochmal das Beispiel des Agenturmodells der Automobilbranche anschauen, denn neben der der Integration in den Online-Vertrieb hatte diese Verschiebung einen weitreichenden strategischen Hintergrund. Mit der beschriebenen Veränderung zum Direktvertrieb wurde fortan – anders als im konventionellen Autohandel – der Kaufvertrag zwischen Automobilhersteller und Kunde geschlossen. Dies hat eine wichtige Implikation, denn die Daten der Kunden und der Kundenkontakt liegen nun beim Hersteller und nicht mehr beim Händler. Da mit dem Start der Elektromodelle auch der Start zukünftiger digitaler Services eingeleitet wurde, stellte der Direktvertrieb und Online-Sales die notwendige Voraussetzung dar, diese umsetzen zu können. Was in anderen Branchen in Form von digitalen Geschäftsmodellen bereits umgesetzt wurde, war eine klare strategische Initiative, die durch die Wahl des Vertriebsmodell und des Kanals erst befähigt werden konnte. Des Weiteren schließt sich hier auch der Bogen zum Thema Customer Insights. Durch den direkten Vertrag mit den Kunden ergab sich nun auch Anspruch auf sämtliche Kundendaten, die bisher beim Händler lagen. Dies eröffnete die Möglichkeit, Kampagnen zu planen, die angepasst auf individuelle Kundenbedürfnisse geschaltet werden konnten. Auch die Einflussnahe auf die Interaktion mit dem Kunden wurde deutlich stärker ausgeprägt: Kundenansprache in Form von Tonalität und Visualität können aktiver beeinflusst werden und man erhält unmittelbare Kundenreaktion.

Fazit

Die Wahl der Vertriebskanäle stellt ein wichtiges Instrument für einen erfolgreichen Vertrieb da. Von zentraler Bedeutung ist es, die Entscheidung an den Anforderungen der Kunden auszurichten. Wichtig ist aber auch, weitere Rahmenbedingungen wie Produktspezifika, etablierte Strukturen und Partner in den Entscheidungsprozess zu integrieren. Speziell das Beispiel aus der Automobilbrachen hat zusätzlich nochmal verdeutlicht, dass es bei der Wahl nicht nur um isoliert betrachtete Vertriebskanäle geht, sondern das Thema vielmehr im Rahmen einer gesamtheitlichen Vertriebsstrategie gedacht werden sollte. 

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